akuk

Grundlagen

Kommunikationsanbahnung

Unter Anleitung von Anouks Therapeutin in der Autismusambulanz starteten wir nach der sogenannten PECS-Methode[1]:

Zunächst sollte Anouk eine Dose mit Oliven bringen, wenn sie eine Olive haben wollte. Die Dose wurde mit einem Foto mit Oliven beklebt. Im nächsten Schritt wurde Anouk die leere Dose als Stellvertreter übergeben, bei deren Übergabe an uns sie dann eine Olive bekam. Schließlich bekam sie nur noch das laminierte Foto, mit dem sie um Oliven bitten konnte. Sie sollte also zuerst das Foto holen, das an einer bestimmten Stelle lag, dann zu der Person mit den Oliven gehen, Blickkontakt zu ihr aufnehmen und das Kärtchen überreichen. Dies übten wir etwa ein halbes Jahr mit Anouk, weil sie nicht zuverlässig die für sie sehr komplexe Aufgabe erfüllte. An einem Tag funktionierte alles ganz prima, am nächsten Tag überhaupt nicht, weshalb die Therapeutin nicht sicher war, dass Anouk das zugrunde liegende Ursache-Wirkungs-Prinzip wirklich verinnerlicht hat. Sie berücksichtigte dabei allerdings nicht, dass die Ursache für Anouks Unzuverlässigkeit nicht intellektueller Natur war, sondern durch die retttypische Apraxie bedingt ist. 

Motiviert durch den AKUK!-Workshop in Braunshausen, den ich gemeinsam mit der Therapeutin besuchte, führten wir dann in schneller Folge Kärtchen für alle Speisen ein, die Anouk liebt und fertigten aus einer Spanplatte und einer Filz-Bodenfliese ein sogenanntes Kommunikationsboard, das ich an den Kücheneingang hängte. Daran klebe ich nun alle Snacks für Anouk, die ich im Hause habe.

image004.jpgWenn Anouk Hunger hat, kann sie sich ein Kärtchen vom Board pflücken.
Sie bringt es mir allerdings nicht, sondern steckt es in den Mund und läuft solange damit durch die Wohnung, bis ich es bemerke und ihr das Gewünschte gebe.

Manchmal steht sie auch nur davor und ich muss ihrem Blick folgen um herauszufinden, was sie essen oder trinken möchte.

Da Anouk laufen kann, stehen ihr auch andere – für sie deutlich leichtere – Wege offen, um zu zeigen, dass sie hungrig ist. Meistens rennt sie in die Küche, klappt den Brotkorb auf und zu oder steht so lange dort, bis ich sie nach ihren Wünschen frage. Ich gehe dann mit ihr zum Board oder halte ihr direkt etwas vor die Nase. Anouk signalisiert dann durch Hinblicken oder Anbeißen, worauf sie Lust hat. 

Inzwischen haben wir auch auf dem Talker Seiten für die Auswahl von Speisen und Getränken eingerichtet, die sie besonders in der Schule mit großem Erfolg nutzt.

Als nächstes haben wir ein Board im Flur angebracht, auf dem wir den Tagesablauf ankleben können. Wir haben Fotos von Anouks Tagesablauf (Zähne putzen, Baden, Essen, Schlafen …), von allen Personen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, von wichtigen Orten und Verkehrsmitteln gemacht. Auch in der Kita wurde ihr Tagesablauf nach dem TEACCH-Konzept[2] mit Kärtchen visualisiert dargestellt. Anouk sieht sich die Kärtchen zwar gerne an, eine direkte Reaktion habe ich jedoch noch nicht bemerkt. Allerdings benötigt sie, im Gegensatz zu Autisten diese Hilfe nicht, da sie keinerlei Probleme hat, sich auf einen wechselnden Tagesablauf einzustellen. Ich gehe außerdem davon aus, dass sie meine verbalen Ankündigungen versteht.
Wir wollen nun die Kärtchen verstärkt dazu einsetzen, Anouk in die Planung unserer Freizeitaktivitäten einzubeziehen. Sie kann dann zwischen Zoo oder Radtour, Indoorspielplatz oder Schwimmbad wählen.

Fazit: Weder PECS noch TEACCH sind geeignete Ansätze für die Kommunikation mit Symbolkärtchen beim Rett-syndrom, da sie für Autisten entwickelt wurden und deshalb von einer anderen Problemstellung ausgehen. Während bei Autisten die Kommunikationsprobleme durch eine starke Wahrnehmungsstörung ihrer Umwelt und die Hemmung der sozialen Interaktionmöglichkeiten bedingt sind, ist die Ursache bei Mädchen mit Rett-yndrom die Kombination aus Apraxie[3] und Ataxie[4], die zum Verlust der Sprechfähigkeit und von gezielten Bewegungen führen. Sie verstehen zwar, was man in einer bestimmten Situation erwartet, können dies aber nicht umsetzen. Dementsprechend verlangt der starre Handlungsablauf, der bei PECS trainiert wird, zu viel von den Mädchen und TEACCH geht an ihren Bedürfnissen vorbei, da sie eigentlich keine Orientierunghilfen benötigen.


[1]PECS ist ein Kommunikationssystem, das speziell für Menschen mit Autismus entwickelt wurde. Es soll es den Benutzern ermöglichen, Kommunikation in einem sozialen Kontext zu verstehen und zu praktizieren. Insbesondere das Initiieren von Kommunikation soll erleichtert werden, so dass nicht-sprechende Kinder von sich aus ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern können.
[2]TEACCH (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children) ist ein praxisbezogenes Konzept, das auf die Wahrnehmungsbesonderheiten autistischer Menschen eingeht und durch  Visualisierungtechniken Hilfen zur Orientierung gibt. Dabei wird der Alltagsstrukturierung ein besonderer Stellenwert eingeräumt.
[3]Neurologische Unfähigkeit zur Ausführung erlernter zweckmäßiger Bewegungen oder Handlungen, trotz erhaltener Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit
[4]Neurologische Störung der Bewegungsabläufe, diese sind ungewöhnlich ruckartig

 

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